TwitterYouTube

03. Februar 2023

Sally Perel. 1925 - 2023.

Nachruf auf den Mann, der als „Hitlerjunge Salomon“ die Shoah überlebt hat

„Du sollst leben!“ waren die letzten Worte seiner verzweifelten Mutter, die sich von ihm trennen musste, damit zumindest er eine Chance auf eine Zukunft hatte. Und er hat gelebt, viele, viele Jahre noch: Am Donnerstag verstarb der Shoah-Überlebende Sally Perel, bekannt geworden als „Hitlerjunge Salomon“, 97-jährig im Kreis seiner Familie in Israel.

Als Sohn strenggläubiger Juden in Niedersachsen geboren, musste er mit seiner Familie vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Polen und später gemeinsam mit einem seiner Brüder weiter Richtung Osten fliehen. Als er schließlich von den Nazis gefangen genommen wurde, gab er sich in höchster Not als Volksdeutscher aus. Erfolgreich: Aus dem jüdischen Flüchtling Salomon „Shlomo“ Perel wurde der für die Wehrmacht tätige Dolmetscher Josef „Jupp“ Perjell.

Öffentlich machte Sally Perel sein Schicksal erst 40 Jahre später mit dem Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“, das 1990 von Agnieszka Holland unter dem englischen Titel „Europa Europa“ verfilmt und mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Er berichtete darin von der inneren Zerrissenheit, die ihm das Geheimnis seiner jüdischen Identität und die Furcht vor seiner Enttarnung im Kreis der Täter bescherte – und auch ungeschminkt davon, dass er sich der ständigen Indoktrinierung bei der Hitlerjugend, wo er zwischenzeitlich gelandet war, als Jugendlicher nicht zu entziehen vermochte.  

Noch bis ins hohe Alter ging er als Zeitzeuge immer wieder auf Vortrags- und Lesereise, um seine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen. Meistens nach Deutschland, aber er kam auch nach Österreich, so etwa 2015 für zehn Tage lang als Ehrengast zum LET’S CEE Filmfestival in Wien. Obwohl er damals bereits 90 Jahre alt war, stand er als Zeitzeuge im Rahmen des Schulkinos hunderten Kindern und Jugendlichen an mehreren Tagen Rede und Antwort. Und er gab Lesungen, unter anderem in der Hauptbücherei, nahm an Publikumsgesprächen nach den Vorführungen von „Europa Europa“ im Urania Kino teil und gab mehrere Interviews, darunter für den ORF- Kulturmontag.

Die Schrecken des Holocaust und seine stets sehr reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal haben Sally Perel sein Leben lang beschäftigt, aber nicht gebrochen. Wir haben ihn damals vor allem auch als sehr positiven, lebensbejahenden Menschen erlebt.

Dafür und für seinen Einsatz als unermüdlichen Botschafter für Toleranz und wider das Vergessen wird er immer in Erinnerung bleiben.

----- 
Foto: Elisabeth Mandl für das LET'S CEE Film Festival

Zurück