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03. Mai 2012

Musik im Niemandsland

„Von den Subkulturen aus betrachtet war Jugoslawien in den Achtzigern ein wunderbarer Ort.“ (Rüdiger Rossig)

Die jugoslawische Musikszene kann auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken. In den 1970er Jahren gehörte sie sogar zu den bedeutendsten in ganz Europa. Innerhalb des sozialistischen Systems wurde ein Austausch mit westlichen Musikszenen ermöglicht, wobei internationale Bands von Ljubljana bis nach Skopje auftreten konnten und auch umgekehrt, jugoslawische Gruppen im Ausland präsent waren. Dabei entstand eine liberale Musikkultur, die der westlichen durchaus ähnelte. Anders als unter anderen sozialistischen Regimen wurde MusikerInnen eine weitgehende kreative Freiheit zugebilligt, und das, trotz Differenzen mit dem kommunistischen System. Die Bedeutung dieser Musikszene im ehemaligen Jugoslawien zeigt sich heute im Aufkommen einer gewissen Jugonostalgie. Die Altherren des Jugo-Rocks – von Bijelo Dugme bis Plavi Orkestar – kommen auch bei der jungen Generation immer besser an und touren wie früher durch ausverkaufte Stadien in allen ehemaligen Republiken. Die bis zum Zusammenbruch des Vielvölkerstaates angesehenen Bands, die sich auch für eben diesen und seine Vorzüge aussprachen, schöpfen nach wie vor aus dem jugoslawischen Liederwerk, dessen Aufgabe es – damals wie heute – war, über die ethnischen und religiösen Unterschiede hinwegzusehen.

Im Zuge des LET’S CEE Film Festivals werden mit der Unterstützung von KulturKontakt Austria drei Musikdokumentationen aus dem ehemaligen Jugoslawien - Lucky Kid, Orchestra und Shuffle – Politics, Bullshit and Rock’n’Roll – vorgestellt, wobei überdies am 30. Mai 2012 im ost klub eine Diskussion mit den Regisseuren zur (post)jugoslawischen Musiklandschaft und jugonostalgischer Erinnerungskultur stattfindet. Dabei wird debattiert, wie die gemeinsame Vergangenheit in der modernen Musik der Nachfolgestaaten Jugoslawiens aufgearbeitet und erinnert wird: Handelt es sich um eine idealisierte Rückbesinnung auf eine utopische Vergangenheit oder um eine korrelative Abrechnung mit ebendieser? Welchen Einfluss haben die Altherren des Jugorocks, als Träger der jugoslawischen Erinnerungskultur, auf postjugoslawische Solidarität und Kohäsion? Und warum trägt die Musiklandschaft von heute noch immer die Bürden von gestern?

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