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11. März 2017

Dokumentarfilm-Wettbewerb

Spiegel unserer selbst: Gespenstische Visionen unserer Realität

Autorin: Rada Šešić (Kuratorin im Dokumentarfilm-Wettbewerb)

LET'S CEE Dokumentarfilm-Wettbewerb - alle Termine & Tickets

Als Echo von Walter Benjamins Idee, wie das Erzählen von Geschichten Information in Weisheit verwandelt, könnten wir auf unsere zehn Dokumentationen wie auf filmische Prachtstücke blicken, die reale Lebensgeschichten auf eine ergreifende Weise vermitteln. Die Filmemacher spiegeln nicht nur die relevanten Aspekte der Realität einer Person, die ihrer Familie, ihrer Stadt oder ihres Sportklubs wieder, sondern teilen deren Vorstellung in raffinierten Herangehensweisen mit uns und laden uns dazu ein, eigene Ideen zu formen. Jeder einzelne Film bewegt uns während des Zusehens und hinterlässt einen starken Eindruck, der uns zum Nachsinnen anregt, sowie einen intellektuellen und emotionalen Stimulus, der noch lange nach der Vorführung anhält.

Bağlar von zwei mutigen Regisseurinnen aus der Türkei, Berke Baş & Melis Birder, liefert uns die spannende Geschichte einer Gruppe Jugendlicher, die seit ihrer Kindheit mit politischem sowie sozialem Niedergang und Heuchelei konfrontiert sind. Communion von der jungen Polin Anna Zamecka nimmt auf sehr präzise Art essentielle Probleme in Angriff: Elternschaft, Glaube, Krankheit, Suche nach Liebe und Hoffnung. Eine andere akribische Dokumentarfilmerin, die Rumänin Monica Lăzurean-Gorgan, arbeitete sieben Jahre an A Mere Breath. Dieses tiefgründige Familiendrama verändert vor unseren Augen seine physische und emotionale Gestalt und spricht unsere allgemeine Menschlichkeit an. Mit Humor und seiner üblichen Leichtigkeit geht Tonislav Hristov in der bulgarisch-finnischen Koproduktion The Good Postman heiße Themen der Gegenwart an: Migration, Xenophobie und politische Korruption. Die estnische Dokumentation Let’s Play War von Meelis Muhu geht noch einen Schritt weiter und stellt unser moralisches Urteilsvermögen über uns und unsere Nächsten in Frage. Der norwegisch-lettische Film Liberation Day von Uģis Olte & Morten Traavik dokumentiert die rebellische slowenische Band Laibach, die an einem obskuren Ort und unter obskuren Verhältnissen ein Konzert spielte – in Nordkorea. Die Geschichte entwickelt sich in bemerkenswert fesselnder und charmanter Manier. My Friend Boris Nemtsov ist das Debüt der Russin Zosya Rodkevich, die ein persönlich orientiertes Narrativ in ein größeres Bild der gegenwärtigen Gesellschaft zeichnet. Die Doku-Auswahl bietet Werke von Anfängern und Meistern Schulter an Schulter. Der Tscheche Miroslav Janek ist Professor für Film und ein international erfahrener Filmemacher. Jeder seiner Filme, inklusive Normal Autistic Film, liefert brillante Züge vollkommener Ehrlichkeit und Menschlichkeit. Scream for me Sarajevo, das Debüt von Tarik Hodžić aus Bosnien und Herzegowina, befasst sich mit der spannenden Frage: Gibt es unter abnormalen Lebensumständen so etwas wie Normalität? Der polnische Film 21 x New York von Piotr Stasik ist schließlich ein Film-Essay, der die Entfremdung und Einsamkeit der modernen Gesellschaft ins Visier nimmt.

Wir bieten zehn starke filmische Konzepte, zehn narrative Denkanstöße und dutzende Gründe, in sie einzutauchen und mit den Machern dahinter zu interagieren.

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